Tag 3: Mittwoch, der 18. September 2019

Butterfahrt auf Englisch

Die erste Nacht im Schmugglernest war gut. Die Zimmerausstattung inklusive Badezimmer sind nicht Vintage oder Retro, sondern wirklich alt, man hat ein wenig Angst etwas kaputtzumachen wenn man es falsch anfasst. Sauber ist es jedoch auf jeden Fall, also sind wir zufrieden.

Frühstück gibt es erst ab halb neun, also trinken wir nur einen Tee auf dem Zimmer und fahren früh los, wir wollen nämlich pünktlich in Exmouth sein um eine kleine Küstenrundfahrt zu machen.

Die Gegend in der wir hier sind heißt „Jurassic Coast“ – also Jura Küste, und wer da an einen Film mit Dinosauriern denkt liegt gar nicht so verkehrt. Der Küstenabschnitt liegt in der Grafschaft Devon und gehört zum UNESCO Weltkulturerbe. Mächtige rote Sandsteinformationen säumen den Strand und gehen in Lehm- und Kalkstein über. Es heißt, man kann praktisch zu jeder Zeit dort Fossilien aus der Dinosaurierzeit finden, und es gibt Servicebüros vor Ort die einem verraten was man gefunden hat.

Wir nehmen also einen der überall üblichen Ausflugsdampfer und lassen uns einmal um die Jura Küste schippern. Um diese Jahreszeit findet diese Tour außerhalb des Wochenendes nur einmal Mittwochs um 11 Uhr statt, alle anderen Touren interessieren uns eher nicht. Trotz Großbaustelle an der Küstenstraße finden wir problemlos einen Parkplatz in der Nähe der Marina und haben noch genug Zeit, in einem kleinen Café am Hafen ein englisches Frühstück einzunehmen. Der Kaffee ist erwartungsgemäß heiß, enthält Geschmacksstoffe aber eher in homöopathischen Dosen.

In England muss man ja zum Glück nie groß suchen wo man hinmuss; irgendwo steht ein Schild herum mit der Aufschrift „Please Queue Here“, und man stellt sich hinter die fein aufgereihte Schlange an dem Schild an. Das Schiff hat diesmal gar nicht an dem Schild angelegt sondern ein Stück weiter, also kommt der Kapitän und holt die Leute zum Schiff, die in genau derselben Reihenfolge wie eine Ü70 – Kindergartenklasse hinter ihm her dackeln.
Wir beiden drücken den Altersdurchschnitt dieser englischen Kaffeefahrt erheblich, wir zählen am Ende 5 Gehhilfen die nach dem Boarding der Besitzerinnen verstaut werden.

An Bord gibt es Erfrischungsgetränke sowie einige Snacks und natürlich „Cream Tea“; das bedeutet Tee oder Kaffee und dazu Scones mit Clotted Cream. Im Grunde genommen ein Gebäckteilchen mit dickem Rahm und Konfitüre oben drauf. Wir verzichten drauf und widmen uns statt dessen der Fotografie der Küstenlandschaft. Der Seegang in der Nähe der Küste ist erheblich, daher fallen einige Fotos leider nur mäßig gut aus.

Man muss ja manchmal doch insgeheim darüber schmunzeln, wie viele Engländer mit dem Wetter auf Kriegsfuß zu stehen scheinen. Rot leuchtende weil sonnenverbrannte Exemplare hat wahrscheinlich schon jeder im Urlaub gesehen, hier durften wir ein vor uns sitzendes Paar beobachten, das in sehr sommerlicher Kleidung auf das Schiff kam. Er in Shorts und Fußballshirt, sie in einem Ärmellosen Sommerkleid. An Land ist es tatsächlich sehr sonnig und angenehm, aber wir haben uns für die Schiffstour Softshelljacken mitgenommen. Kaum hat der Kahn abgelegt, dreht der kalte Atlantikwind auf und wir machen unsere Jacken zu, gleichzeitig erscheint auf der Haut des Sommerpärchens eine kräftige Gänsehaut, die sich auch bis zum Ende der Fahrt nicht legt. Sie könnten natürlich auch ins Innere des Schiffs gehen wo es windgeschützt ist, aber sie halten tapfer und frierend bis zum Schluss durch.

Die Küste ist wirklich malerisch, wir betrachten die Zeichnung die die Jahrmillionen in dem Gestein hinterlassen hat und nistende Vögel, einsame Kiesstrände mit nacktbadenden Menschen die den englischen Ladies um uns herum ein albernes Kichern entlocken.

Bei ablaufendem Wasser kehren wir wieder zurück, jetzt sind die Sandbänke gut zu sehen, die die Küste bei Sturm ein wenig schützen. Fische, die den richtigen Zeitpunkt zum davonschwimmen verpasst haben, liegen jetzt auf dem Trockenen und werden Beute für Möwen und andere Seevögel.
Mit ordentlich Farbe im Gesicht kehren wir ins Schmugglernest zurück, sichten die Fotos und ruhen uns aus. Zum Glück kann man in dem Pub unter unserem Zimmer fantastisch essen, so dass wir heute nicht mehr rausmüssen.


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